Posted:
April 20th, 2014
Tags:
Dietmar Wiegand, Facility Management, Optimierung, Schweizer Energiefachbuch, Simulation
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Die Geschwindigkeit des Wandels der ökonomischen Rahmenbedingungen von Unternehmen und der individuellen Lebensentwürfe und Lebensstile nimmt zu. Darauf können Planer, Investoren, Betreiber und schlussendliech die Nutzer von Gebäuden gemeinsam mit neuen Konzepten für Gebäude und Services aber auch mit neuen Planungsmethoden und -werkzeugen agieren und nachhaltig Wertschöpfungspotenziale erschliessen. Basis dazu bildet das Forschungsvorhaben «discreteFD» des Instituts für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich. Die Zahl der Konkurseröffnungen hat sich in der Schweiz zwischen 1980 und 1996 mehr als verdreifacht und dann auf hohem Niveau stabilisiert; die Berichte über Fusionen und Verkäufe von Unternehmen und Unternehmensteilen in den Medien reissen nicht ab – Indizien dafür, dass nachhaltiges Bauen, im ökonomischen und ökologischen Sinne, heute bedeutet, eine gebaute Umwelt zu entwerfen, die beim Eintreten scheinbar zufälliger Ereignisse ihren Nutzung und Tauschwert nicht verliert oder umweltschonend recycled werden kann. Gebautes, Installiertes und Eingerichtetes ist dazu unterschiedlich talentiert.
Nachhaltigkeit in diesem Sinne braucht aber auch ein geeignetes Verhalten der Verwaltungen bzw. des Managements; d. h. ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit gebauter Umwelt wird durch Flexibilität und lnterpretierbarkeit der Facilities einerseits und das Verhalten des Managements bei zufälligen Ereignissen anderseits garantiert. Heute verwendete Methoden zur Optimierung der Ökoeffizienz von Gebäuden für eine statische, unveränderbar angenommene Umwelt müssen abgelöst werden. Nötig sind Methoden, die von einer ökonomisch, ökologisch und soziokulturell sich über die Zeit immer schneller verändernden Umwelt ausgehen. Für die Analyse und Bewertung des zukünftigen Verhaltens von Gebäuden und Management bieten sich ereignisbasierte Computersimulationen (Discrete Event Simulations – DES) an, die bereits seit einigen Jahren im Bereich der Produktion und Logistik eingesetzt werden. Hier wird die Effizienz des Ressourceneinsatzes bei Produktionsanlagen inklusive der Flächen zur Lagerung von Zwischenprodukten und der Wege zur Anlieferung für unterschiedliche Auslastungen der Produktionsstätte optimiert. Im Bauwesen werden Ereignissimulationen vereinzelt zur Verbesserung der Baustellenlogistik verwendet. Der Einsatz von DES zur Optimierung integrierter Konzepte für Gebäude und Management und als Bestandteil des Risikomanagements in der Projektentwicklung stellt weltweit einen neuen Ansa tz dar. An der ETH Zürich wurden bis Ende Februar 2006 mit den Projektpartnern SUVA, red KG und BASF AG entsprechende Methoden und Software-Werkzeuge entwickelt, die ab 2007 bei den Partnern intern Verwendung finden bzw. von der red KG (www.redkg.ch) als Dienstleistung angeboten werden.
Ereignisgesteuerte Simulationen bilden modellhaft Systeme und das Systemverhalten beim Eintritt von Ereignissen dynamisch über die Zeit ab. Ereignisse oder Bedingungen lösen Zustandsänderungen der Systemkomponenten aus. Die Simulation springt von Ereignis zu Ereignis, um hier die entsprechenden Routinen auszuführen.
ln der Phase der strategischen Planung und der Vorstudien von Gebäuden und Dienstleistungen müssen zahlreiche Annahmen getroffen werden. Eine Gewissheit, dass diese Annahmen zutreffen, besteht in den seltensten Fällen. Wir sind jedoch häufig in der Lage zu bestimmen:
a) mit welcher Wahrscheinlichkeiten bestimmte Ereignisse oder Bedingungen eintreten – dies erfolgt in der Regel durch Verteilungsfunktionen,
b) in welchem Zeitintervall wie viele der Ereignisse eintreten – und deren genauen Zeitpunkt wir jedoch nicht kennen.
Die DES erlauben es, ein Systemverhalten beim Eintritt von Ereignissen und Bedingungen abzubilden. Nehmen wir an, dass die Auslastung eines Hotels unter einen kritischen Wert rutscht, so kann das Eintreten dieser Bedingung unterschiedliches Systemverhalten auslösen:
a) Intensivierung der Marketingaktivitäten
b) Anpassung des Produkts
c) Verkauf des Hotels
Mit DES können die Auswirkungen des Eintretens der Bedingung und des Systemverhaltens auf den Betriebsertrag oder den Kapitalwert des Investments abgebildet werden. Dies stellt eine neue Qualität des Risikomanagements dar, da die Auswirkungen der Ereignisse bzw. des Eintretens von Risiken auf die Kennwerte unter der Annahme eines Systemverhaltens über die Zeit ermittelt werden können.
DES zeigen die Auswirkungen des Eintretens bzw. Nichteintretens von Ereignissen und Bedingungen im Sinne einer verbesserten Sensitivitätsanalyse. Sie ermöglichen die Optimierung des Umgangs mit Risiken seitens des Facility Managements oder seitens der Geschäftsleitung, d.h. die Optimierung des Risikomanagements. Sie bieten zudem die Chance die Facilities selber hinsichtlich ihres Nutzwertes oder ihrer Anpassungsfähigkeit bei veränderter Nachfrage konzeptionell zu verbessern.
Nutzungsintensivierung mit DES
Neben den langfristigen Untersuchungen zum Lebenszyklus ermöglichen DES die Überprüfung und Veränderung von Konzepten zur Nutzungsintensivierung bestehender Facilities durch zeitgleiche Mehrfach- oder Nacheinandernutzung; d. h. neben der Systemoptimierung kann die Belastbarkeit von Systemen untersucht werden. Stichprobenartige Untersuchungen an deutschen und Schweizer Schulen haben ergeben, dass die Räume für den allgemeinen Unterricht tagsüber zwischen 7 und 19 Uhr zu 70 bis 75% leer stehen. Schulbauten stellen in der Regel das grösste Segment des Immobilienportfolios der Städte und Gemeinden dar.
Mit Hilfe der DES konnte nachgewiesen werden, dass allein durch die Veränderung der Raumbelegung – sprich: des Flächenmanagements – 40% der Räume eingespart oder anderen Nutzungen zur Verfügung gestellt werden können. Dies ist wohlgemerkt ohne Qualitätsverlust bei den Unterrichtseinheiten möglich. Im Gegenteil: Die frei gewordenen Räume können alternative Unterrichtskonzepte, die mit zusätzlichem Raumbedarf, z. B. für Gruppenräume, verbunden sind, vielleicht überhaupt erst ermöglichen.
Ausblick
Die Tests der ETH Zürich mit ereignisbasierten Simulationen an flexiblen Facilities in den Bereich Altenwohnen, Bildung und Hotellerie haben gezeigt, dass mit Hilfe der Simulationen neue integrierte und optimierte Grundrisse und Managementkonzepte entwickelt werden können, die aufgrund der Komplexität und Dynamik des Geschäftsbereichs ohne Discrete Event Simulations (DES) nicht entstanden wären. Die kalkulatorischen Nutzungskosten pro Unterrichtseinheit konnten beim Bildungszentrum SeeCampus Niederlausitz durch die Simulation der Lebenszykluskosten und – benefits und damit verbundene Optimierungen der Gebäude- und Betriebskonzepts um bis zu 40% reduziert werden.
Die Optimierung von Konzepten für die Entwicklung von Facilities und die Risikobewertung in diesem Zusammenhang kann mit den in discreteFD entwickelten Methoden und Werkzeugen erheblich verbessert und wirklichkeitsnäher gestaltet werden. Problematisch bleibt trotz eines generischen Ansatzes im Projekt discreteFD die Tatsache, dass Immobilienprojekte und die Frage an die Simulation wesentlich stärker als im Bereich Produktion und Logistik variieren. Der Modellierungs-, Entwicklungs- und Implementierungsaufwand kann durch die offensichtlichen Optimierungsmöglichkeiten problemlos gegenfinanziert werden. Grundvoraussetzung für einen massenhaften Einsatz von DES sind jedoch Immobilienentwickler und – investoren, Planer und Nutzer, die bereit sind in der Vorplanungsphase mehr Geld als bisher zu investieren, mit dem Blick auf Benefits über die Zeit. Die ETH Zürich plant in den kommenden zwei Jahren die Ereignissimulationen in drei Richtungen weiterzuentwickeln:
1) Ausweitung des Anwendungsbereichs der ereignisbasierten Simulationen in der Phase der Vorstudien
2) Anwendung der ereignisbasierten Simulationen im Bereich der Ökoeffizienzanalysen: Bilanziert und bewertet werden sollen zukünftig nicht primär einzelne Objekte sondern der ökologische Fussabdruck der Infrastruktur, die für die Ermöglichung einer bestimmten Aktivität, z. B. einer Unterrichtseinheit, zur Verfügung gestellt wird. Die Optimierung der Infrastruktur und des Managements erfolgt wiederum für sich dynamisch verändernde Rahmenbedingungen.
3) Anwendung der ereignisbasierten Simulationen zur kontinuierlichen Unterstützung des Betriebs bzw. der Entscheidungen in der Betriebsphase.
Für alle drei Entwicklungsvorhaben sind Projektentwickler, lmmobilieninvestoren, aber auch Planer und Betreiber als Projektpartner willkommen.
Univ.Prof. Prof. h. c. Dipl.-Ind. Arch. Dietmar Wiegand
Schweizer Energiefachbuch, 2007, S.122-124.
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Adresse: ETH Zürich, Institut für Bauplanung und Baubetrieb
Professur Hans Rudolf Schaleher
Wolfgang-Pauli-Str.15, 8093 Zurich