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Januar 17th, 2016
Tags:
Dietmar Wiegand, energetische Sanierung, Immobilien, Klimawandels, Mietgesetz, Nutzungsintensität, Raumbedarf, Schweizer Energiefachbuch
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«…im Wesentlichen müssen in den nächsten 20 Jahren die Weichen gestellt werden zu einer nahezu kohlenstofffreien Weltwirtschaft.»1 Der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber weist mit dieser Aussage nachdrücklich darauf hin, dass es bei der Eingrenzung des Klimawandels auch um die Geschwindigkeit der Reduktion klimarelevanter Emissionen geht. Nicht nur die eingesparten Mengen der Treibhausgase, sondern der Zeitpunkt, an dem die Verringerungen der Emissionen realisiert werden können, entscheidet über das Ausmass des Klimawandels.
In der Betriebsphase von Gebäuden lässt sich kurzfristig sehr viel zur Verminderung des Energiebedarfs und zur Reduktion klimarelevanter Emissionen tun. Angefangen beim Austausch der Leuchtkörper bis zu Steckerleisten, die sich bei geringem Energieverbrauch automatisch ausschalten und so den Stromverbrauch von Elektrogeräten im Bereitschaftsmodus vermeiden.
Der Faktor Zeit spricht auch für die Erhöhung der Intensität der Nutzung bestehender und geplanter Gebäude über die Zeit. Eigene umfangreiche Untersuchungen in der Schweiz, Österreich und Deutschland zeigen, Räume für die Bildung und Büroarbeitsplätze sind selten mehr als 10% ihrer Lebenszeit genutzt. Die energetische Verbesserung dieses enormen Leerstands ist volkswirtschaftlich unsinnig und kostet Zeit. Die notwendigen Finanzmittel können nur über einen sehr langen Zeitraum aufgebracht werden.
Mit der Verbesserung der Zuordnung der Raumbedarfe zu Räumen über die Zeit können Infrastrukturausgaben eingespart werden, die dann zur zügigen Reduzierung der klimarelevanten Emissionen durch energetische Gebäudesanierungen uvm. verwerden werden sollten. In vielen Unternehmen und Behörden fehlen aktuell allerdings eigene Organisationseinheiten für das Flächenmanagement, die Verbesserung mit geeigneten Strategien und Werkzeugen aktiv betreiben können. Sie müssen aufgebaut werden.
Zeitnah braucht es für Investitionen in die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden Anreizstrukturen, wenn Eigentümer/innen von Immobilien nicht gleichzeitig Nutzer/innen sind. Es braucht gesetzliche Regelungen, die es erlauben solche Investitionen, von denen Mieter in Form von niedrigen Nebenkosten profitieren, so umzulegen, dass eine win-win Situation entsteht. Eine Datenbank der Kosten und Benefits energetischer Sanierung aus Sicht der Mieter, der Vermieter und der Förderstellen hilft bei der Feinjustierung solcher Gesetzesnovellen.
Last but not least: Ökologisches Bauen und ökologisches Nutzen müssen zeitnah integriert werden. Die Menge der klimarelevanten Emissionen muss auf die Zahl der damit unterstützten Nutzungseinheit (Büroarbeitsstunde eines Mitarbeiters, Unterrichtsstunde o.ä.) bezogen werden und nicht mehr auf die Quadratmeter Geschossfläche. Nur so wird die Nutzungsintensität mit berücksichtigt. Nutzer/innen müssen wesentlich besser als bisher qualifiziert werden für eine aktive und bewusste Rolle bei der Organisation der nachhaltigen Nutzung der Gebäude, z.B. durch Erläuterungen der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) und der Einrichtung.
Eine besondere Bedeutung wird den Gebäudenutzern zukünftig auch bei der Stabilisierung der durch den grösseren Anteil erneuerbare Energie instabileren Stromnetze beigemessen werden. Konzepte, die in diesem Zusammenhang angedacht werden, reichen von der Nutzung der in Elektroautos vorhandenen Batterien zur Speicherung überschüssiger erneuerbarer Energie, bis zu Haushaltsgeräten die dann ihren Betrieb aufnehmen, wenn überschüssige Energie vorhanden ist.
„Liebe Erwachsenen: Hört auf zu reden fangt an zu regeln“, heisst es auf der Website der co2paten.2
Tutoren qualifizieren in Schul-Projekten Jugendliche zu co2paten, die dann im Bekanntenkreis den Tausch von Heizkörperthermostate bewerben und begleiten – natürlich ohne gewerblichen Hintergrund. Mit Heizkörperthermostaten, die sich über eine App auf dem Smartphone steuern lassen, können über Distanz die Raumtemperaturen in Wohn- oder Büroräumen bedarfsgerecht geregelt werden, was „kinderleicht“ rund 30% Heizenergie spart.
Univ.Prof. Prof. h. c. Dipl.-Ind. Arch. Dietmar Wiegand
Fachbereich Projektentwicklung und -management / Technische Universität Wien
Department of Real Estate Development and Management / Vienna University of Technology
Schweizer Energiefachbuch, 2014, S.118-119.
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Fussnoten
1 Hans Joachim Schellnhuber am 23.3.2012 im Deutschlandradio Kultur
2 http://co2paten.wordpress.com