Posted:
September 19th, 2014
Tags:
Dietmar Wiegand, Öffentlich-private Partnerschaft, PPP, Public Private Partnership
Comments: 0
Wie wird sich PPP in Österreich entwickeln? Endlich kein Thema mehr — oder selbstverständlicher Bestandteil der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur?
Unter welchen Bedingungen werden öffentlich-private Partnerschaften im Bereich der öffentlichen Infrastruktur in Österreich die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen? Werden PPP-Modelle sich vom Einzelfall zum selbstverständlichen Bestandteil der Infrastrukturbereitstellung entwickeln können und sollen? Und unter welchen Bedingungen nicht?
Die Übertragung der Verantwortung für Planen, Bauen und Betreiben auf private Bieterkonsortien erfolgt im Rahmen von PPP-Verfahren aufgrund der Annahme, dass privatwirtschaftliche Unternehmen effizienter produzieren können, da sie im Gegensatz zu öffentlichen Verwaltungen und Staatsbetrieben im Wettbewerb miteinander stehen. Das heißt, Unternehmen, die nicht kontinuierlich an Effizienzverbesserungen arbeiten, werden am Markt nicht bestehen können – so zumindest die durchaus diskussionswürdige Theorie. Dies setzt allerdings voraus, dass, die entsprechenden Leistungen betreffend, tatsächlich ein Wettbewerb besteht und z. B. im Rahmen von Bieterverfahren organisiert wird. Maßnahmen öffentlicher Auftraggeber, die dem Schutz lokaler Unternehmen vor internationaler Konkurrenz dienen, und die Bildung künstlicher Monopole seitens der Auftragnehmer verhindern den Wettbewerb und damit die gewünschten Effizienzsteigerungseffekte im Rahmen der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur. Protektionismus und Monopolbildung sind Phänomene, die böswillige Betrachter bei einzelnen PPP-Verfahren in Österreich durchaus konstatieren könnten.
Die zunehmende Komplexität der Aufgaben, die privaten Bieterkonsortien übertragen werden sollen, reduziert die Anzahl der möglichen privaten Produzenten. Für wachsende Komplexität sorgen gestiegene Anforderungen des Umweltschutzes und der zukünftigen Nutzer. Die Bündelung von Planen, Bauen und Betreiben, gegebenenfalls ergänzt um die Finanzierung, die Vertragsdauer u. v. m., erhöht zudem die Komplexität der ausgeschriebenen Leistungen bei PPP-Verfahren und vermindert damit die Zahl der potentiellen Bieter weiter. Im italienischen Krankenhausbau beispielsweise wurde mit sogenannten Promotorenverfahren reagiert: Personen, sogenannte Promotoren, werden gegen Entgelt aufgefordert, Bieterkonsortien zu bilden bzw. zur Bildung von Bieterkonsortien beizutragen. Ziel ist es, die Zahl der Bieterkonsortien zu erhöhen und damit Wettbewerb sicherzustellen.
Eine Voraussetzung für Wettbewerb ist auch, dass sich auf der Bieterseite Personen finden, die auf PPP-Ausschreibungen qualifiziert reagieren können. Diese Personen müssen ausgebildet werden. Die Universitäten und Fachhochschulen in Österreich kommen dieser Aufgabe bisher nicht in ausreichender Form nach.
PPP wird noch immer fälschlicherweise als Instrument zur Verschleierung der Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte verstanden respektive als Maßnahme zur Einhaltung der im Maastrichter Vertrag 1992 zwischen PPP – die Zukunft Auslaufmodell oder den Kinderschuhen entwachsen? den EU-Mitgliedsstaaten vereinbarten Konvergenzkriterien, die insbesondere eine jährliche staatliche Neuverschuldung von unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorsehen. Dies ignoriert die Tatsache, dass langfristige finanzielle Verpflichtungen der öffentlichen Hand de facto einer staatlichen Neuverschuldung gleichkommen. Durch Basel III1 und Solvency II2 führen die meist unbesicherten privaten Finanzierungen öffentlicher Infrastruktur zu einer Erhöhung der notwendigen Eigenkapitalquote der Banken und Versicherungen. Zusammen mit den hohen Investitionskosten und unsicher laufenden Einnahmen verteuert die private Finanzierung aktuell öffentliche Infrastrukturprojekte. Private Investitionen in PPP-Vorhaben müssen durch staatliche Absicherung in Bonitätskategorien befördert werden, um attraktiv für institutionelle Anleger zu werden. Die „Europe 2020 Project Bond Initiative“ 3 ist ein solches Instrument, das zur Belebung der privaten Finanzierung von PPP-Vorhaben führen soll.
Eine Alternative ist die öffentliche Finanzierung von PPP-Vorhaben. Im Freistaat Bayern beispielsweise werden drei Viertel aller kommunalen PPP-Vorhaben heute nach einem Modell 4 durchgeführt, das eine staatliche Finanzierung der Vorhaben vorsieht. Die Bündelung von Planen, Bauen und Betreiben, der sogenannte Lebenszyklusansatz, bleibt jedoch bestehen.
Einer der Eckpfeiler der PPP-Vorhaben im Bereich öffentlicher Infrastruktur ist die Übertragung der Verantwortung für Planen, Bauen und Betreiben an ein Bieterkonsortium, was, über die Nutzungsdauer der öffentlichen Infrastruktur betrachtet (20 bis 30 Jahre), niedrige Kosten für die öffentliche Hand sicherstellen soll.
Bei allen Schwierigkeiten, angesichts der Halbwertszeit technischer Entwicklungen über eine solche Vertragsdauer geeignete Vereinbarungen zu treffen, macht es Sinn, Anreizstrukturen zu schaffen, die sicherstellen, dass bereits in der Planung auf niedrige Lebenszykluskosten, d. h. niedrige Baunutzungskosten nach DIN 18960 bzw. ÖNORM 1802-2, geachtet wird. Ein möglicher Lösungsansatz ist es, den Planerinnen und Planern, die in einer Wie wird sich PPP in Österreich entwickeln? Endlich kein Thema mehr — oder selbstverständlicher Bestandteil der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur? sehr frühen Projektphase Einfluss auf die Baunutzungskosten haben, das Risiko für niedrige Baunutzungskosten durch eine Bündelung von Planen, Bauen und Betreiben zumindest teilweise zu übertragen. Als Alternative dazu käme die kontinuierliche Bewertung alternativer Planungen durch Lebenszykluskostenberechnungen in Frage, was aktuell an fehlenden geeigneten Standards zur Berechnung dieser Lebenszykluskosten und an fehlendem Knowhow aufseiten der Planer und der Bauherrenschaft zu scheitern droht. Auch hier kommt den Universitäten und Fachhochschulen eine große Bedeutung für die qualitätsvolle Gestaltung der Zukunft von PPP-Vorhaben zu.
Angesichts der zuvor skizzierten Kriterien für erfolgreiche PPP-Vorhaben müssten zahlreiche Änderungen aufseiten der Besteller, der Produzenten und im Bereich der Ausbildung erfolgen, damit PPP-Projekte bei der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur vermehrt zum Zug kommen und die gewünschten Erfolge in großem Umfang eintreten.
Eine Änderung des Selbstverständnisses von PPP als Mittel, öffentliche Infrastruktur effizient bereitzustellen, und nicht als Mittel, Neuverschuldungen zu kaschieren, sowie die Aus- und Weiterbildung von Personen, die aufseiten der öffentlichen Hand und aufseiten der Bieterkonsortien qualifiziert agieren können, sind geeignete Startpunkte. Dies setzt den Willen von Politik und Verwaltung voraus, nicht individuelle Nutzenmaximierung oder die Förderung ortsansässiger Unternehmen, sondern die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur mit effizientem Ressourceneinsatz in den Mittelpunkt zu stellen.
Ich bin der Überzeugung, dass PPP-Verfahren sich in Österreich wie bisher auch nur partiell in der gewünschten Qualität und Menge durchsetzen werden können.
Fussnoten
1 Basel III: Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat unter dem Titel „Basel III“ internationale Standards veröffentlicht, die mit strengeren globalen Regeln für Eigenkapital und Liquidität die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors stärken sollen. Die darauf aufbauende Richtlinie und Verordnung auf EU-Ebene wurde Mitte 2013 in österreichisches Recht umgesetzt. Siehe https://www.bmf.gv.at/ finanzmarkt/finanz-kapitalmaerkte-eu/basel-iii.html<
2 Solvency II: Solvency II ist ein EUweites Projekt, dessen Ziel es ist, eine grundlegende Reform des Versicherungsaufsichtsrechts, im Speziellen der Solvabilitätsvorschriften (Eigenmittelanforderungen) für Versicherungsunternehmen, zu erreichen. Das bisher statische System zur Bestimmung der Eigenmittelanforderungen soll durch ein risikobasiertes System ersetzt werden. Hierbei sollen vor allem auch qualitative Elemente (z. B. internes Risikomanagement) stärker berücksichtigt werden. Darüber hinaus wird mit Solvency II eine angemessene Harmonisierung der Aufsicht in Europa angestrebt. Siehe http://www.fma.gv.at/de/sonderthemen/solvency-ii.html
3 Die Konzeption der „Europe 2020 Project Bond Initiative“ sieht vor, dass Projektgesellschaften projektbezogene Anleihen (project bonds) zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen am Kapitalmarkt emittieren und die Europäische Investitionsbank gegen Zahlung einer Risikoprämie eine Garantie in Höhe von maximal 20 % der Investitionssumme für die gesamte Laufzeit der Anleihe gibt, die sogenannte „Project Bond Guarantee Facility“. Dies soll projektbezogenen Anleihen ein A-Rating einbringen und so private Investoren zum Zeichnen der projektbezogenen Anleihen motivieren. Die Europäische Kommission teilt sich mit der Europäischen Investitionsbank das Ausfallrisiko.
4 http://www.stmi.bayern.de/buw/bauthemen/ppp/
Univ.Prof. Prof. h. c. Dipl.-Ind. Arch. Dietmar Wiegand
Fachbereich Projektentwicklung und -management / Technische Universität Wien
Department of Real Estate Development and Management / Vienna University of Technology
derPlan 31 Dossier
Die Zeitschrift der Kammer der Architekt(inn)en und Ingenieurkonsulent(inn)en
für Wien, Niederösterreich und Burgenland September 2014
Artikel zu DOWNLOAD