«Ich hoffe, die Ausführungen zum Facilities Development beleben die Diskussion um das nachhaltige Bauen und helfen eine sinnvolle Sichtweise auf Entwicklung und Management gebauter Umwelt unter dem Aspekt der Zeit und knapper Ressourcen zu etablieren.» Das die Aussage von Uni-Professor Dietmar Wiegand an der TU Wien, Arbeitsgebiet Projektentwicklung und -management. Wie sich das konkret umsetzen lässt und wie sehr dabei auch die Ökonomie zum Zuge kommt – dazu seine fünf Thesen mit den entsprechenden Lösungsvorschlägen.
These 1
Die Prozesse zur Optimierung von Gebäuden und Anlagen für die Betriebs- und Nutzungsphase beginnen, ebenso wie die Prozesse zur Optimierung der externen Effekte von Bauprojekten auf die Umwelt, in der Projektentwicklungsphase. Sie integrieren Überlegungen zum Facility Management in der Nutzungsphase. Bei Hotelimmobilien übernehmen heute in der Phase der Projektentwicklung erfahrene Betreiber die Prozessführerschaft bei der Konzeption von Gebäude, Nutzung und Betrieb, d.h. bei der Produktentwicklung. Die Projektentwickler und Investoren binden die Hoteibetreiber bereits vor dem Baugesuch durch Pachtverträge. Wenn dies nicht gelingt, werden die Konzepte angepasst oder das Projekt gestoppt. Bei einem Schulbau in Deutschland konnten in der Phase der Projektentwicklung durch die Überarbeitung der Gebäudenutzungs- und Betriebskonzepte nachweislich die monatlichen Betriebskosten (nach DIN 18960) um 40% reduziert werden. Forschungsvorhaben an der ETH Zürich haben gezeigt, dass allein durch eine Veränderung der Methode und der Praxis des Flächenmanagements bei deutschen Schulen der Sekundarstufe 2 zwischen 20 und 40 % Flächen eingespart oder neuen Unterrichtsmethoden zur Verfügung gestellt werden könnten.
Die Beispiele zeigen deutlich: Für einen nachhaltigen Nutzwert und niedrige Betriebskosten gebauter Umwelt müssen die Voraussetzungen bereits in der Phase vor der eigentlichen Bauplanung geschaffen werden. Diese Phase heisst im englischen und amerikanischen Sprachraum „Development“, wobei traditionell eher der Tauschwert als der Nutzwert im Vordergrund steht. Dies mag aus Sicht institutioneller Anleger kurzfristig sinnvoll sein, nicht jedoch aus Sicht derjenigen die in den Immobilien glücklich leben oder erfolgreich arbeiten wollen oder die sich um die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen sorgen. „Facilities Development bezeichnet die Prozesse einer zielgerichteten Entwicklung gebauter Umwelt, damit verbundener Services und ihrer Repräsentationen – in Verträgen, Bildern und Bilanzen – durch Projekte unter Berücksichtigung des Nutzwerts, des Faktors Zeit und der externen Effekte auf Umwelt und Gesellschaft.“ In den deutschsprachigen Regionen werden für die Phase vor der Bauplanung u.a. Begriffe wie Projektentwicklung, Konzeption, Projektinitiierung oder Vorprojektphase verwendet.
These 2
Bei der Entwicklung gebauter Umwelt für unbekannte Nutzer oder wechselnde Nutzeransprüche entscheidet die «Fitness» von Gebäude und Management, mit der sie auf veränderte Nutzeransprüche oder Umweltbedingungen reagieren können, über die (Öko-)Effizienz, über die Nachhaltigkeit, mit der sie menschliche Bedürfnisse befriedigen oder Aktivitäten von Organisationen unterstützen. Es ist sicher unbestritten, dass die Globalisierung, d.h. die Möglichkeit, nahezu grenzenlose Beträge an Finanzkapital in Sekunden von einer Region der Weit in eine andere zu transferieren, sowie der anhaltende Trend zur Monopolbildung die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Unternehmen und Regionen in immer kürzeren Zeitabständen verändern. Die Immobilienwirtschaft reagiert darauf durch die Vermeidung so genannter Klumpenrisiken; d.h. der Bau von Büroflächen für einen Crossmieter wird als Risiko bewertet. Büroimmobilien werden heute für wechselnde Mieter mit unterschiedlichen Flächen- und Raumansprüchen entwickelt, durch Anschlussmöglichkeiten für Trennwände an jeder Fensterachse, durch Möglichkeiten zur individuellen Steuerung der Belichtung und des Raumklimas bei verschiedensten Raumkonstellationen uvm. Wesentlich konservativer stellt sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt dar. Obwohl die Patchwork-Familie heute keine Ausnahme mehr darstellt, suchen wir Wohnungsgrundrisse vergeblich, die Kinder aufnehmen können, die alle zwei Wochen von einem getrennt lebenden Elternteil für ein paar Tage zum anderen wechseln oder wenn ein Elternteil zur Pflege in eine Wohnung einzieht o.ä.
Spätestens seit den erschreckenden Ergebnissen der Bologna-Studien zum Ausbildungsstand der Schüler/innen in der Schweiz und in Deutschland sollten die didaktischen Konzepte, die Schulbaurichtlinien und das Management der Schulbauten unter die Lupe gekommen werden. Nur wenige Schulbauten unterstützen den spontanen Wechsel oder das Nebeneinander unterschiedlichster Lehr- und Lernformen, obwohl hinlänglich bekannt ist, dass mache Kinder in Bewegung gut lernen, andere projektbezogen in Gruppen und dass wieder andere die Stille brauchen.
These 3:
Nachhaltige Gebäude existieren nicht ohne Services. Speziell der Schulbau zeigt, dass eine nachhaltige Unterstützung der Nutzungsansprüche nicht ohne geeignete Managementformen denkbar ist. Die Lehr- und Lernformen sollen flexibel ad hoc gewechselt werden können. Dazu kommt der Wunsch teilzeitbeschäftigter Lehrer/innen nach bestimmten Arbeitszeiten. An den Hochschulen werden modularisierte Studiengänge eingeführt mit zahlreichen Wahlmöglichkeiten für Studierende. Es ist offenkundig, dass weder die Stundenplanung noch das Raum- oder Flächenmanagement angesichts dieser Komplexität ohne IT-Unterstützung leistbar sind. Programme für das Flächenmanagement nutzen heute genetische Algorithmen um eine intensive Nutzung des knappen Guts Raum sicherzustellen, was auch ökologisch sinnvoll ist, schliesslich muss Raum beheizt oder gekühlt werden. Die Bilanzierung der Energie, die notwendig ist, um ein Gebäude in einem benutzbaren Zustand zu halten, reicht nicht aus, da offen bleibt, wie intensiv das Gebäude tatsächlich genutzt wird. Angesichts der weltweiten Zunahme der Menschen, die in Städten leben, macht die Intensivierung der Nutzung von gebautem Raum ökologisch wie ökonomisch Sinn. Und hier kommt einem intelligenten IT-unterstützten Management der Gebäude, insbesondere dem Flächenmanagement, eine wichtige Rolle zu.
These 4
Die Entwicklung und das Management der urbanen FaciLities durch die öffentliche Hand könnte eine Leitbildfunktion übernehmen, wenn es gelingt den Wettbewerb der Ideen zu organisieren. Das Development wird häufig als Domäne der Privatwirtschaft gesehen . Wenn wir die verschiedenen föderalen Ebenen des Staates zusammen betrachten und Strassen sowie die städtischen Ver- und Entsorgungsinfrastruktur als gebaute Umwelt begreifen, so ist der Staat der wichtigste Entwickler und Manager von Facilities. Dies birgt die Chance, Entwicklung, Produktion und Management gebauter Umwelt so zu organisieren, dass sie sowohl ökologisch als auch ökonomisch nachhaltig ist. Im Sinne der Prinzipal-Agenten-Theorie müsste die Politik als „ Prinzipal“ den Verwaltungen (Agenten) klare politische Vorgaben machen und sich auf diese beschränken. Die Verwaltungen wieder um müssten (nun in der Rolle des Prinzipals) den Wettbewerb der Anbieter von Planungs-, Bau- und Betreiberleistungen organisieren und Aspekte wie die Nachhaltigkeit im zuvor beschriebenen umfassenderen Sinn zum zentralen Bewertungskriterium machen. Zweifellos sind kompetente Anbieter rar, das hat der kombinierte Architektur- und FM Wettbewerb für den SeeCampus Niederlausitz zwischen Dresden und Berlin deutlich gezeigt, aber vielleicht erzeugt Nachfrage mittelfristig ja ein Angebot.
These 5:
Ausbildung und Forschung zum Facilities Development fehlen weitgehend. Während die Hochschulen im deutschsprachigen Raum primär Entwurfs- und Wettbewerbsarchitekt/inn/en ausbilden, werden in der Praxis schon heute händeringend Ingenieurinnen und Ingenieure gesucht, die lebenszyklusbezogen gebaute Umwelt entwickeln, planen und bauen können. Reformen in der Ausbildung sind dringend notwendig. Betrachten wir die Fördermittellandschaft, z.B. bei der Europäischen Kommission, so wird deutlich, dass Umweltschutz und ökologisches Bauen immer noch als technisches Problem betrachtet wird. Sicher ist das im Sinne der Industrie, die Produkte z.B. für die wärmetechnische Sanierung anbietet. Wenn die zuvor formulierten Thesen richtig sind, würde der Schutz der Umwelt wesentlich stärker als bisher als ein Management- und damit als Führungs- und Steuerungsproblem gesehen werden und für deren Erforschung mehr Finanzmittel bereitgestellt werden.
Univ.Prof. Prof. h. c. Dipl.-Ind. Arch. Dietmar Wiegand
Fachbereich Projektentwicklung und -management / Technische Universität Wien
Department of Real Estate Development and Management / Vienna University of Technology